Ich vergesse viel. Scheint mir. Die Nachnamen von Schulfreunden fallen mir nicht ein. Gesichter kann ich nicht zuordnen. Ich glaube nicht, dass mein Gedächtnis schlechter ist als das des Durchschnitts, es stört aber. Die vergessenen Dinge sind weg, nicht mehr wiederherstellbar (vielleicht feuern ein anderes Mal ein paar Synapsen) Aber wahrscheinlicher ist, dass ich vergesse, dass ich was vergessen habe.
Das ganze Zeug, das Leben, die Leute, alle werden vergessen. Irgendwann sterben sie (und ich) und dann ist das alles weg. Wie mein Großonkel, der während des zweiten Weltkriegs aus Jugoslawien nach Berlin kam, um hier als Nachtklubsänger zu arbeiten. Außer diesem Satz, der eine lange Geschichte verbirgt, weiß ich nichts über ihn. Mein Großvater kommt wenigstens mit zwei Sätzen in einer Geschichte der Stadt vor, in der er lebte und starb. Er kämpfte im Untergrund gegen die deutschen Besatzer. Nach dem Krieg war er kommunistischer Funktionär bis er in Anfang der 50er von einem Auto überfahren wurde.

Wie kam das alles? Ich fuhr mit dem Rad am Karstadt am Hermannplatz vorbei (ja, schon wieder) und mich schaute ein Typ an und lächelte so, als ob er mich kannte. Ich erkannte ihn aber nicht und er ging weiter. Ich war verunsichert. Was wenn ich ihn nur nicht erkannt hatte. Ein ander Mal habe ich eine Frau nicht erkannt, mit der ich zwei Wochen vorher zwei Stunden verbracht hatte. Vielleicht ist es doch die schleichende Demenz. Und ich hatte mal ein gutes Gedächtnis.