die arbeiten der atlas group erinnern mich an südamerikanische und osteuropäische moderne literatur, in der ebenfalls das dokumentarische und das fiktionale hinterfragt werden. um titel zu nennen: "das hasarische wörterbuch" von milorad pavic oder die späteren erzählbände von danilo kis "das grabmal für boris dawidowitsch" und "die enzyklopedie der toten" (die deutschen titel können variieren, ich hab nicht nachgeschaut, sondern ins unreine übersetzt) und natürlich der große borges. es geht immer auch um die die konstruktion einer sprecherposition. die atlas group existiert nicht als gruppe, sondern ist eine konstruktion von walid raad, die gefundenen notizbücher und videobänder sind natürlich von ihm gedreht, die personen, denen sie zugeschrieben werden sorgfältig auf ihre brauchbarkeit hin gebaut. heute wurde "hostage: the bachar tapes" gezeigt. es geht dabei um einen mann, der 10 jahre lang im libanon als geisel gehalten wurde. das video behandelt drei monate aus dem jahr 1985 als er mit fünf amerikanischen geiseln in einem zimmer eingesperrt war. in 16 minuten handelt das video auf komplexeste weise ab, wie das konstrukt geisel geschaffen wird, was der fremde damit zu tun hat, die geschichte der iran-contra-affäre, die mediale darstellung solcher ereignisse und noch viel mehr. gleichzeitig scheinen momente des persönlichen, augenblicke der schönheit auf, die dem ganzen eine bedeutung geben, die über das konkrete ereignis hinausgehen. wenn ich nur in der schule besser aufgepasst hätte, würde ich mich jetzt trauen, den begriff "das erhabene" zu benutzen. so denke ich nur daran.

Im Rahmen des Performance-Festivals "In Transit" hat Walid Raad heute einen Vortrag über das Archiv der Atlas Group gehalten. Sonnenaufgänge auf der Beiruter Strandpromenade und Autos, die zu Autobomben umfunktioniert wurden. Zielfotos von der Pferderennbahn. Eine wunderschöne beeindruckende poetische Arbeit. Was ist da schon Fiktion? Alles so wahr wie das Leben.