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Šešelj serbischer Held

YU

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YU

Meine Tante sass gestern alleine im Hof, auf den Plastikstuehlen vor der Garage, bewegungslos. Ich gehe rein und setze mich auf den Stuhl gegenueber. Sie schweigt. Ich frage, was los ist. Sie: "Nichts". Meine Tante hoert sonst nicht auf zu reden. Ich weiss nicht, was sich tun soll. Vielleicht will sie alleine bleiben, aber sie ist offen sichtlich ausser sich und hat geweint. Da kann man nicht einfach gehen. Dann faengt sie an zu weinen und stockend an zu erzaehlen, dass sie nicht mehr ins Haus geht, bis mein Onkel aus dem Krankenhaus kommt. Wenn sie seinen leeren Stuhl sieht, dann bricht ihr das Herz. Sie erzaehlt und schweigt dann wieder. Sie weint immer zwischendurch. Ich bleibe bei ihr sitzen, sage ihr irgendwelche troestenden Platitueden und warte darauf, dass meine Cousine kommt. Meinem Onkel geht es uebrigens wieder besser und er scheint den Herzinfarkt zu ueberleben (sein dritter). Sie trauert ihrer Vorstellung des geruhsamen Lebensabends nach, wo sie beide etwas Gartenarbeit betreiben und es sich gut gehen lassen.

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Alternative Welten

YU

Hier zu sein ist wie einen Spiegel vorgehalten bekommen, was waere wenn. Was waere, wenn meine Eltern nicht entschieden haetten, 1970 nach Deutschland zu kommen. Wuerde ich jetzt auch wie mein Cousin M. vom Westen traeumen und darueber vergessen mein Leben zu leben? Oder wie die Tochter vom Freund meiner Mutter, die ohne Zaehne im Dorf sitzt und Telenovelas im Fernsehen schaut und auch nichts auf die Reihe kriegt? Andererseits gibt es in Belgrad Lebensformen, die durchaus parallel sind zu der, die ich in Berlin fuehre.

Mir sagen alle aelteren Leute hier, ich waere eine Fremde in D. und eine Fremde hier. Sie projezieren ihren eigenen Zustand auf mich, nun dass ich nicht mehr 25 bin. Aber es hat sich nichts geaendert fuer mich - ich bin vielleicht fremd hier, aber bestimmt nicht in Deutschland (zu Hause in Berlin). Das kann die erste Generation, diejenigen, die als "Gastarbeiter" nach D. gekommen sind, nicht verstehen, dass manche ihrer Kinder Fremde geworden sind in dem Land, das sie selbst als Heimat verstehen.

Meine Mutter wurde aber auch veraendert durch die Zeit in Deutschland; sie ist definitiv keine serbische Frau mehr. Ich merke das vor allem an der Sprache - sie wirft immer wieder deutsche Worte ein, wenn sie serbisch spricht. Ich mach das, weil mir das serbische Wort nicht einfaellt und frage dann, aber bei ihr ist es unbewusster, auch eine Art ihr eigenes Besonderssein auszudruecken. Ihr geht auch vieles auf den Geist, das Provinzielle hier, das Phlegma, das Abfinden mit der Situation. Die Leute in D. uebernehmen definitiv mehr Initiative durchschnittlich.

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Srbija, Srbija

YU

Nach vier Jahren das erste Mal wieder in YU. Ich weiss, ich weiss, Jugoslawien gibt es nicht, aber so haben wir frueher immer gesagt und ich kann es mir nicht abgewoehnen. Hab neulich eine Freundin von hier getroffen und sie hat auch immer noch Jugoslavija gesagt. Das troestet mich dann doch, dass auch einige wenigstens der hiesigen es sich nicht abgewoehnen koennen. Mein Onkel ist krank, meinem Sohn ist langweilig, weil er kein Wort Serbisch spricht (ich habe leider Identitaetsprobleme und habe ihn nicht zweisprachig erzogen, was, wie mir alle mitteilen egal ob in D. oder hier, ich auf jeden Fall haette tun sollen) und ich komm zu nix. Ich dachte, ich koennte wenigstens was fuer meine Fernuni arbeiten, aber dazu komme ich nur abends fuer zwei Stunden vorm Schlafen gehen - und das ist weniger als zu Hause. Ansonsten, ich weiss nicht, wie es hier ist. Wie immer, denke ich. Die Laeden sind zwar voll inzwischen und es scheint schon etwas besser zu laufen wirtschaftlich, aber die Arbeitslosigkeit ist immer noch sehr hoch - vor allem bei den unter 30-jaehrigen und hier in Pozarevac siehen die Haeuser immer noch aus wie hingeschmissen, halbfertig und in verschiedenen Stadien des Rohbaus verlassen. Auf den Strassen spiegelt sich die Fruehlingssonne in riesengrossen Pfuetzen und in den Hoefen der Haeuser stehen rostende Autokarosserien neben den bluehenden Magnolienbueschen. Ich bin noch eine Woche hier. Einerseits fuehle ich mich schon wie zu Hause, auch wenn ich nie hier gelebt habe - wir waren immer nur in den Sommerferien hier, andererseits bin ich eine Fremde. Das letzte Mal war ich vor vier Jahren hier.

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Stadt - Land - Fluss

YU

Nachkriegszeit in Belgrad

Belgrade is situated in South-Eastern Europe, on the Balkan Peninsula. It lies at the point where the river Sava merges into the Danube, on the slope between two alluvial planes.

An der Autobahn, die vom Belgrader Flughafen in die Stadt hineinführt, steht ein futuristisches Hochhaus, dessen zwei Türme oben durch eine breite Betonbrücke und einen spindelförmigen Aufsatz miteinander verbunden sind. Das ist das Geneks-Gebäude, das sogenannte "westliche Tor Belgrads". Einer der Türme wird als Wohngebäude genutzt. Im anderen befanden sich die Büros der Firma Geneks, die einmal – vor langer Zeit vor dem Krieg – die größte Exportfirma Jugoslawiens war. Sie wickelte 1989 27 Prozent des serbischen und 13 Prozent des jugoslawischen Außenhandelsumsatzes ab. Getreu dem Namen "General Export" kaufte und verkaufte Geneks Reisen, Kleidung, Häuser, Medikamente und noch einiges mehr. Zwölf Jahre später ist die Firma pleite und sucht einen Konkursverwalter, der noch rettet, was zu retten ist.

Wieder auf der Autobahn kurz nach Sonnenuntergang: vor dem violetten, roten, dunkelblauen Himmel erheben sich die Hügel der Stadt. Beleuchtete Häuser und Straßen spiegeln sich in der Save. Links die dunkle Silhouette des Kalemegdan, die Türkenfestung, eines der Wahrzeichen Belgrads und zu einem großzügigen Park ausgebaut. Nachts von der Autobahn aus gesehen, liegt die Stadt ausgebreitet wie ein Juwel. Die warmen Lichter locken und versprechen Abenteuer und Geheimnis. Tagsüber ist die Szenerie abweisender. Die Straßen sind voller Menschen, die hin und her eilen und ihren Geschäften nachgehen, nicht anders als in jeder anderen europäischen Stadt. In anderen Städten fragt man sich jedoch nicht, ob die bröckelnde Fassade eines Hauses durch Alter oder durch eine NATO-Bombe entstanden ist.

In jeder neuen Stadt muss man sich erst einmal zurechtfinden, verstehen, wie sie funktioniert, welche Farben und welche Gerüche vorherrschen, worüber die Leute reden, was sie interessiert. Wenn man nicht an der Oberfläche bleiben will, sondern eintauchen in die Essenz der Stadt, nicht nur die Sehenswürdigkeiten abhacken möchte, sondern wissen will, was sie bedeuten, so wird man sich unter Umständen fremder fühlen, als wenn man den Versuch nicht unternommen hätte.

The river waters surround it from three sides, and that is why since ancient times it has been the guardian of river passages. Because of its position it was properly called "the gate" of the Balkans, and "the door" to Central Europe.

Neben dem Hauptbahnhof befindet sich der Busbahnhof. Züge in Serbien fahren selten und sehr langsam, und das Schienennetz ist nicht besonders ausgebaut. Die meisten Leute fahren, wenn sie es sich leisten können, lieber mit dem Bus. Reisende laufen hin und her, sitzen am Rand der Schalterhalle und warten. Zigeunerkinder betteln vor der Halle, drei Jungs zwischen vier und sechs Jahren. Geschickt rennen sie zwischen hupenden Autos, Bussen und Straßenbahnen hin und her. Eine Blechblaskapelle macht eine Pause auf ihrem Weg zum nächsten Auftrittsort. Die Musiker sitzen, ihre Instrumenten neben sich, auf den Betonblumenkästen vorm Bahnhof und rauchen.

Überall stehen Kioske und bieten Zeitungen, Gebäck, Zigaretten, Musikkassetten zum Kauf an. Einige haben nationalistische Fahnen und T-Shirts in der Auslage. Die T-Shirts tragen das Bild des Serbenführers und Kriegsverbrechers Radovan Karadžić. "Serbischer Held – Ich gelobe, dass ich dem Wesen Radovan Karadzics treu bleiben werden" steht in altserbischer kyrillischer Schrift drunter. Andere behaupten "Jeder Serbe ist ein Karadžić", was für jeden normalen Menschen eine Beleidigung darstellen sollte.

Ein alter gelber Mercedes voller Blumen fährt vor dem Bahnhof vorbei: Dachgepäckträger, Rücksitz und Gepäckraum sind voller roter Rosen und weißer Nelken in dunkelgrünen Bottichen. Handel mit Gebrauchswaren ist eine der wenigen Möglichkeiten Geld zu verdienen. Der Durchschnittslohn beträgt etwa 120 Euro, der monatliche Bedarf etwa das vierfache. Die Preise für Lebensmittel sind nur geringfügig niedriger als in Deutschland. Wie die Leute zurechtkommen, bleibt ein Rätsel. Wenn man nachfragt, ist die Antwort meist ein Schulterzucken und "Irgendwie geht es schon". Jeder Reiseführer über Belgrad schreibt, dass sich hier Orient und Okzident mischen. Hier am Bahnhof stimmt das am ehesten. Hier kommen alle zusammen: Bauern aus dem Umland, Zigeuner, Studenten auf dem Weg zu ihren Eltern. Ein Umschlagplatz für Menschen. Hier kann man ein wenig Balkan-Exotik bestaunen.

Along the ridge of the slope, from Kalemegdan, along the Knez Mihailova street, across Terazije to Slavija, stretches the main city traffic artery.

Rechts vom Bahnhof am Krankenhaus "Heiliger Sava" führt die Nemanjina Straße zu den Regierungsgebäuden der Republik Serbien. An der Ecke zur Kneza Miloša Straße stößt man auf ein zerstörtes Gebäude aus den 70er Jahren: den Generalstab der jugoslawischen Armee, der 1999 von Nato-Bomben getroffen wurde. Die Eckteile auf beiden Seiten der Straße neigen sich einander zu, um dann treppenförmig nach oben zurückzuweichen. Die Löcher, die die Bomben geschlagen haben, erstrecken sich über zwei, drei Stockwerke. Niemand arbeitet mehr hinter den braunen verspiegelten Fenster; das Gebäude ist mit zerbeulten Metallplatten abgesperrt.

Ein Stück weiter oben kommt dann der Slavija Platz, wo schon vor mehr als zehn Jahren das erste McDonalds in – damals noch ganz – Jugoslawien eröffnet wurde. Es befindet sich in einem zweistöckigem klassizistischem Gebäude und sieht von innen aus, wie die McDonald's Restaurants auf der ganzen Welt. Die Hamburger schmecken genauso wie in Paris oder New York. Der Slavija Platz war bis vor zwei Jahren einer der chaotischsten Orte in Belgrad. Hier hatte sich so etwas wie ein illegaler Markt entwickelt. Alles stand voller Kioske und Stände, die von Wollsocken bis zu illegal kopierten CDs und Videofilmen alles anboten. Es war lebensgefährlich über die Straße zu gehen, Autos führen in wilden Überholmanövern durch jede Lücke und alles war vollgestellt. Die neue Stadtregierung hat aufgeräumt. Die Kioske sind weg und um das Denkmal eines vergessenen sozialistischen Helden auf der Mittelinsel, die selten jemand betritt, .

At Knez Mihailova street, the coordinates of Belgrade are marked: 44049'14" of northern latitude, 20027'44" of eastern longitude, altitude 116,75 m.

Herwig Kempf ist der Leiter des Goethe Instituts in Belgrad, das sich in der Fußgängerzone der Knez Mihajlova Straße befindet. Das ist hier die Haupteinkaufsstraße der Stadt, in der sich sich exklusive Boutiquen aller westlichen Modemarken mit Galerien und Straßencafes abwechseln. In seinem holzgetäfelten Büro erzählt er von der wieder erwachenden Belgrader Kunstszene, die nach der Stagnation der letzten zehn Jahre ungeduldig darauf wartet, wieder Anschluss an Westeuropa zu bekommen. Das Goethe-Institut hat nach dem Sturz von Milosevic am 5. Oktober 2000 seine Arbeit wieder aufgenommen und arbeitet verstärkt mit unabhängigen Gruppen und Künstlern der mittleren und jüngeren Generation zusammen, veranstaltet klassische Konzerte, konzipiert Ausstellungen junger Künstler aus der ganzen Balkanregion und lädt zu Workshops zu digitaler Kunst und neuen Medien ein. "Die Belgrader Kulturszene ist eine der interessantesten Europas," erzählt Kempf, "die Leute sind interessiert und begeisterungsfähig."

The Danube flows through 60 km of Belgrade area, from Stari Banovci to Grocka, while the Sava covers 30 km from Obrenovac to its intake. The length of river banks of Belgrade is 200 km.

Das Museum der zeitgenössischen Kunst liegt auf der anderen Seite der Save in Neu Belgrad in einem riesigen, menschenleeren Park. Jetzt im Juli ist es heiß, über 35° Celsius im Schatten und die Rasenflächen fangen an, gelb zu werden. Im Museum ist die Klimaanlage trotz vieler Versprechungen ausländischer Sponsoren und Stiftungen seit Jahren kaputt. Im Juni hat das Museum mit einer neuen ständigen Ausstellung den "jugoslawischen Kunstraum" neu einzukreisen versucht. Nur drei Wochen später muss die Ausstellung schließen: die Gemälde drohen von der Hitze beschädigt zu werden. In der Halle stehen jetzt drei Skulpturen und eine Videoarbeit, in der eine Männerhand das Gesicht einer Frau hin und herdreht. Dabei ertönt eine männliche Stimme, die in verschiedenen Abstufungen der Ungeduld und Aggressivität, auf deutsch die Frage "Was ist Kunst?" stellt.

Hinter dem modernistischen sechziger Jahre Bau des Museums verläuft die Donaupromenade, von der aus man einen guten Blick auf die Burg und die Altstadt hat. Unter den Bäumen ist es schattig und vergleichsweise kühl. Eine junge Frau in lila Kittelschürze schüttet Wasser aus einem Plastikkanister auf den Asphalt vor ihrem Kiosk, um Verdunstungskälte zu erzeugen.

Nach einigen Tagen in der Stadt beginnt man langsam Muster zu erkennen. Dinge wiederholen sich, man erkennt Leute auf der Straße wieder. Wie zum Beispiel das rothaarige Mädchen aus einer Galerie, die später in der Buchhandlung im Haus der Jugend sitzt, und die man am nächsten Tag vor dem Internetcafe auf der Vuka Karadžića Straße sieht. Dann möchte man bleiben, um diese neue Wirklichkeit weiter zu erforschen.

kursive Zitate: www.beograd.org.yu – Official Internet Site of Belgrade

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Srpski Žurnal

YU

Montag 08.07.02

Vašar in Požarevac. Findet, wenn ich das richtig verstanden habe, jedes Jahr am 7. und 8. Juli statt, zum Ivanjdan. Das ist ein kirchlicher Feiertag, der irgendetwas mit Johannes dem Täufer zu tun hat. Es gibt noch einen Feiertag im Januar, der ebenfalls J. dem T. gewidmet ist. Frag mich nicht, was für Unterschiede es gibt. Auf jeden Fall sind die Jahrmärkte – das ist nämlich ein Vašar – immer an irgendwelche kirchlichen Feiertage gekoppelt. Im orthodoxen serbischen Kirchenkalender sind die Jahrmärkte mit aufgeführt. Das ganze ist eine Mischung zwischen Kirmes, Floh-, Wochen- und Trödelmarkt. Und ungeheuer groß. Unglaublich groß. Die Stadt hat etwa 60 Tausend Einwohner, aber ein großes Einzugsgebiet mit den umgebenden Dörfern. Aber auch mit der ganzen Umgebung können es so viele doch nicht sein. Aber der Markt ist riesig. Vielleicht war es die mangelnde Übersicht, da wir mit Milan unterwegs waren und nicht so schnell voran kamen, oder weil die Stände auf den Wohnstraßen um das Gelände herum ausuferten. Wir sind auf jeden Fall nicht zum Zentrum des Vašar vorgedrungen, sondern blieben auf dem Weg stecken. Es wurde immer voller und lauter je später es wurde. Auf den Restaurant-Ständen konnte man Sänger Narodnu Muziku singen hören. Narodna Muzika kann nur unzureichend mit dem deutschen Begriff "Volksmusik" übersetzt werden, da in Deutschland Volksmusik eine Musik bezeichnet, die sich nicht mehr entwickelt und die ein Schattendasein führt. Hier ist Narodna Muzika etwas was selbstverständlich zum Alltag gehört und auch von jüngeren Leuten (naja, gut bestimmten jüngeren Leuten, aber mehr jüngeren Leuten als in D.) gehört und gespielt wird - vor allem bei Hochzeiten. Da gehört das dazu. Und weil jeder mit Hochzeiten aufgewachsen ist, da diese mit der gesamten Nachbarschaft und Freundeskreist gemeinsam drei Tage gefeiert werden, kennen alle diese Lieder. Die verschiedenen Freß-Zelte hatten also alle ihre eigenen Livekapellen verschiedener Güte (genauso wie das Essen, ob es dabei allerdings eine Entsprechung gab, konnte ich empirisch nicht ausreichend testen). Ein Zelt hieß "Restoran kod Macka" und der Inhaber "(Vla.) T. Avramovic Carevic" so stand es auf dem selbstgemalten Schild nur auf kyrillisch. Dort haben wir die fettigsten Würstchen gegessen, die es je gab. D.h. Milan hat zwei Drittel meiner Wurst gegessen. Beim Kater ging es recht rustikal zu. Die gebratenen Schweine, Hammel, Geflügel und anderes nicht identifiziertes Getier lagen aufeinander getürmt auf den Tischen. Es gab auch gebratenes Gedärm. Drumherum standen Plastiktische mit roten und weißen Tischdecken. Es war ziemlich leer, was uns hätte zu denken geben sollen. Es war total exotisch. Wie Entenbratereien in Hongkong. Die anderen Fleischstände, die danach kamen, sahen wesentlich vertrauenserweckender aus, nur war es da schon zu spät. Allerdings gings uns allen gut und auch Milan scheint die fettige Wurst gut zu vertragen.

(morgen weiter)

Wie gesagt, wir liefen nur in der Periferie herum und sahen im Hintergrund nur entfernt die Schiffsschaukeln und Riesenräder, Achterbahnen und wie sonst auch diese ganzen Foltermaschinen heißen, in die mich keine zehn Pferde treiben könnten. Mir wird schon vom Zugucken schlecht. Als es dunkel wurde, sah man auf jeden Fall im Hintergrund die bunten Jahrmarktskaruselle (ist natürlich viel zu harmlos bezeichnet, aber wie heißen diese Dinger?) sich entfernt abzeichnen. Wir haben Milan ein Teletubbie-Luftbalon gekauft, den ich zu lose am Arm festgebunden habe, und der sich losriss und über die erleuchte Jahrmarktsfläche in den dunklen Himmel flog.

Der Bambi-Park ist jetzt für alle geöffnet. Das war ein Projekt der Familie Milosevic, die für einen mickrigen Vergnügungspark, der wirklich nicht viel hermachte, Eintrittsgelder nahmen und die Grundschulkinder aus ganz Serbien hinkarren ließen. Ist ganz nett so für Milan, aber Eintritt und weit anreisen ... nee. In dem großen Sandkasten ist ein Piratenschiff aus Holz mit Rutsche und Treppen. Allerdings schreien zwei Aufseherinnen von Anfang zwanzig alle Kinder an, sie sollen sich nicht an das Geländer anlehnen, es sei morsch. Fühlte sich für mich zwar nicht so an, aber nun gut. Es ist natürlich nicht ganz klar, wieso sie das Ding bis zur Instandsetzung nicht ganz schließen.

An einem Stand mit Haushaltsgegenständen und Schuhen (was die meisten meisten Stände betrifft) ein Beach-Bum Typ mit Surfershorts, Holzperlenkette und zu viel Kilos um die Hüften und sonst nix. Sehr apart. Hatte definitiv was sorglos mönchisches, allerdings vielleicht eher buddhistische Mönche oder der Typ aus der Tonne, Diogenes.

Dienstag 09.07.02

Treffen mit Herwig Kempf vom Goethe Institut Belgrad. Zweistöckiges altes Gebäude (Balkan-Klassizismus). Unten Bibliothek und oben Büros. Recht großzügiges Büro mit gediegen sozialistischer Ausstattung. Kempf Ende 50, sehr freundlich, leichter bayrischer Akzent, so dass man kaum hört, dass es ein bayrischer ist, aber sich fragt, was für einer es sein könnte. Treppenhaus sehr klassizistisch, breiter Aufgang mit Säulen. Allerdings ist alles etwas verstaubt. Sehr nettes und interessantes Gespräch, allerdings von einem Außenstehenden, was man auch merkt.

Eindrücke auf den Belgrader Straßen:

Graffitos "Živeo Sloba" und die Verballhornung "Živeo Šljiva" und "Živeo

Šljivandžija" (was auch immer das ist, aber es scheint etwas zu bedeuten, ich habe später den besagten S. in der Zeitung erwähnt gesehen, leider ohne Erklärung für den Außenstehenden). Überhaupt finde ich, sind die Zeitungen hier ziemlich kryptisch. Ereignisse, die dem beschriebenen vorhergehen, werden nicht erklärt, das heißt, wenn man nicht die ganze Zeit die Geschehnisse verfolgt, ist man irgendwann aufgeschmissen. Es gab zum Beispiel ein Interview mit einer Frau von einer schwul-lesbischen Organisation, bei dem es um die Gay-Parade letztes Jahr in Belgrad ging, bei der es offensichtlich Übergriffe von Faschos gab und wobei wohl auch mehrere Menschen verletzt wurden. Allerdings stand das nirgendwo. Jemand, der das letztes Jahr nicht verfolgt hat, konnte sich das alles nur so zusammenreimen. Man kann natürlich mit einigem Recht annehmen, dass die Leute, die

Ecke Nemanjina und Kneza Milosa gegenüber von der Vlada Srbije ist ein Gebäude, das offensichtlich bombardiert wurde. Es ist ein Ensemble auf beiden Seiten der Nemanjina Ulica aus den 70ern oder 80ern mit braunen verglasten Fenstern und jeweils zwei Vorsprüngen, die aufeinander zeigen. In den Häusern sind große Löcher über 2 Stockwerke (Foto machen). Alles ist geräumt und abgesperrt. Was wurde in Belgrad am 11. September gesagt und gedacht?

Mittwoch 10.07.02

Heute nur in P. gewesen. Anda besucht, mit M. und M. auf dem Friedhof gewesen. Der kleine M. ist auf die Nase gefallen, was ihm – obwohl es nicht schlimm war, doch den Abend versaut hat. Die Leute in Belgrad sind viel netter als die in Pozarevac.

Worüber noch schreiben?

Frauen hier. Wie sehen sie aus? Wie sind sie so drauf?

Der Himmel über Pozarevac. Zwischen Weite und Paranoia

diesige Farben, alles leicht verstaubt.

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